Prinz Heinrich von Hessen – Maler und Sammler

Mit der Eröffnung der Prinz-Heinrich-Galerie im August 2009 wird die Ausstellungsfläche des Museums Schloss Fasanerie bei Fulda um 120 qm vergrößert. In fünf neuen Räumen im zweiten Obergeschoss des Barockschlosses macht das Museum den Schritt ins 20. Jahrhundert. Während die Schausammlung bisher ausschließlich der Kunst des 17. bis 19. Jahrhunderts vorbehalten war, wird jetzt zum ersten Mal im Rahmen der Dauerausstellung im Museum zeitgenössische Kunst gezeigt.

Die in den letzten Jahren aufwendig restaurierten und neu ausgestatteten Räume im 2. Obergeschoss sind dem Werk des deutsch/italienischen Malers Enrico d’Assia (1927–1999) gewidmet, dessen Arbeiten seit 1951 zwar wiederholt erfolgreich in Frankreich, Italien und Amerika gezeigt wurden, aber noch nie in einer Einzelausstellung in Deutschland.

Dass nun die erste Schau seiner Kunstwerke auf deutschem Boden im Museum Schloss Fasanerie zu sehen ist, ist kein Zufall, vielmehr gibt es eine enge Beziehungen zwischen dem Lebensweg Enrico d’Assias und dem Schloss in Eichenzell. Es ist das Schloss seiner hessischen Ahnen, hier verbrachte d’Assia als junger Mann einen Teil der Nachkriegsjahre. Es war für ihn eine prägende Zeit, die er auf bewegende Weise in seiner 1992 zum ersten Mal erschienenen Autobiographie „Der kristallene Lüster“ schildert. Er hatte sich im Nordflügel des Schlosses ein Atelier eingerichtet, in dem ein großer Teil seines Frühwerks entstand. In Adolphseck traf d’Assia auch mit seinem Lehrer Rudolf Kubesch zusammen, durch den seine künstlerische Entwicklung entscheidend geprägt wurde.

Ein Raum in der neuen Galerie, die im Nordflügel, über den einst von d’Assia als Wohnung und Werkstatt genutzten Zimmern liegt, ist jetzt dem Frühwerk des Malers gewidmet: Hier sind bemerkenswerte Stillleben aus den Jahren 1946/47 zu sehen, für die er Gegenstände aus seinem Atelier sowie Kunstobjekte aus dem Schloss arrangierte. Darunter befindet sich auch ein in Blautönen gehaltenes Gemälde, das Enrico d’Assia später als sein „erstes, beinahe surrealistisches Bild“ bezeichnen sollte. Es vermittelt dem Betrachter eine Ahnung von den späteren Werken des Malers. Im September 1947 verlegte Enrico d’Assia seinen Wohnsitz nach Italien und entschied sich kurz darauf für die italienische Staatsbürgerschaft. Seitdem war er als Maler in Rom, Ischia und Capri tätig. Seine erste Einzelausstellung hatte er 1948 in Alexandria in Ägypten. Es folgten in den 50er Jahren Ausstellungen in Paris, Rom, New York und San Francisco. Der Umzug nach Italien versteht sich – ebenso wie sein Aufenthalt in Schloss Fasanerie – aus der familiären Herkunft des Künstlers. Seine Mutter war die zweite Tochter des italienischen Königs Viktor Emanuel III., Enrico d’Assia war – 1927 als Heinrich Prinz von Hessen in Rom geboren – gleichsam zweisprachig und mit doppelter Heimat in der italienischen Hauptstadt wie auch in Kassel aufgewachsen. Besonders erfolgreich war er in den Jahren zwischen 1964 und 1974 als Kostüm- und Bühnenbildner für Opern- und Ballettinszenierungen in Rom, Mailand und Florenz.

Ein zweiter Raum in der neuen Galerie widmet sich diesem Teil des Schaffens von Enrico d’Assia. Hier sind die neun Originalentwürfe von 1969 für eine Aida Aufführung im Teatro Communale in Florenz präsentiert sowie ein von ihm selbst geschaffenes Bühnenmodell. In diesen Arbeiten ist bereits der spätere Stil d’Assias ausgeformt, der durch das Licht Süditaliens sowie zwei für den Maler unvergessliche Ägyptenreisen beeinflusst wurde. Die Gemälde der 60er und 70er Jahre scheinen ein gemaltes Zeugnis seiner Liebe für die Küstenlandschaft Süditaliens, das Mittelmeer und die Kunst des Altertums zu sein.

All diese sind auch bestimmende Elemente seines späteren Schaffens, eines Stils den Enrico d’Assia selbst einmal als „romantischen Surrealismus“ bezeichnete. In seinen Werken erweist er sich als Meister spätsurrealistischer Metamorphosen: Wolken verwandeln sich in windbewegte Segelschiffe, Inseln erheben sich aus submarinen griechischen Statuen, und ein Obelisk wird auf einem Floß über den Nil geschifft, dessen Basis von einem Wurzelstock gebildet ist, so als würde ein monumentaler antiker Baum verpflanzt. Diese Werke sind in der Mittelgalerie des neuen Museumsbereichs präsentiert. Ebenfalls sind dort 42 sehr kleine, oft nur postkartengroßen Bilder gehängt, die Enrico d’Assia zwischen den späten 70er Jahren bis Mitte der 90er schuf. Es sind Geschenke an Verwandte und Freunde, zu deren Geburtstagen oder zu Weihnachten. Sie erfreuen nicht allein durch den feinen Strich der Zeichnung und ihr pastellfarbenes Kolorit, sondern bezaubern auch durch den Einfallsreichtum und hintergründigen Humor der Darstellungen.

Eine Serie von 28 Bildern stammt aus dem Besitz von Margaret Prinzessin von Hessen und bei Rhein, der Enrico d’Assia – die Begeisterung für Mopshunde mit ihr teilend – regelmäßig geistreiche Darstellungen von Wortspielen schenkte. Er handelt sich um gemalte Capriccios, die auf witzige Weise mit den Worten „Mops“ und dessen englischer Form „Pug“ spielen. Diese Motive haben, publiziert in dem Buch „Mopsaik“ bzw. „Pugorama“ viele Freunde – insbesondere bei Mopsliebhabern in der ganzen Welt – gefunden. Legendär sind etwa „Mopserat Caballe“, „Mopsarella pomodore“, „Spughetti“ oder „Glasmopst“.

Zum ersten Mal in der neuen Prinz-Heinrich-Galerie wird jetzt eine Serie ähnlicher kleiner Bilder gezeigt, die Enrico d’Assia zwischen 1976 und 1995 einer Freundin, seiner einstigen Nachbarin auf Ischia jeweils zu Weihnachten schenkte. Hier wird die Liebe zu den Süditalienischen Inseln auf vielfältige Weise zum Bildthema.

Zu Weihnachten 1983 zeichnete er eine im Stil Fabergés gestaltete Perle mit einem Miniaturweihnachtsbaum in passender Schatulle oder er verlieh im Jahr 1987 bildlich das „Großkreuz des Ordens von Capri“. Auf all diesen keinen Gouachen lässt sich – teilweise sehr originell versteckt – passend zum Anlass, ein Weihnachtsbaum entdecken.

Ein weiterer Teil der neu eröffneten Ausstellungsräume widmet sich der Kunstsammlung Enrico d’Assias. Auch hier liegen die Wurzeln seiner Leidenschaft in Schloss Fasanerie. Beeindruckt von den Zeichnungen alter Meister auf einer Ausstellung des Jahres 1946 in Wiesbaden richtete sich Prinz Heinrich sein Zimmer im Schloss mit den Tiepolo Zeichnungen seines Vaters ein. Daraus erwuchs eine Leidenschaft, mit der er in Rom eine eigene Altmeister-Sammlung ausbaute. Dabei verwahrte er nur einen Teil der Zeichnungen in Graphikschränken auf, von wichtigen Werken war Enrico d’Assia Zeit seines Lebens umgeben. Sie zierten, mit dünnen goldenen Leisten gerahmt, seine Zimmer in der Villa Pollissena in Rom. Von dieser Art der Hängung ist die Gestaltung von zwei – mit Bücherschrank und Kamin – wohnlich eingerichteten Räumen in der neuen Prinz-Heinrich-Galerie inspiriert. An den Wänden sieht man Werke von Giambattista Tiepolo sowie Rötel- und Tuschezeichnungen u.a. von Fra Bartolommeo, Agostino Carracci oder Frederico Zuccari.

Auch diese neuen Räume der Prinz-Heinrich-Galerie knüpfen an die Konzeption der Schausammlung im Museum Schloss Fasanerie an, die Landgraf Philipp von Hessen der Gestaltung seines Familienmuseums zu Grunde legte. Die Räume des Museums sollten den Charakter eines bewohnten Hauses haben. Alles soll so wirken, als habe ein historischer Landgraf, Kurfürst oder dessen Gemahlin soeben den Raum verlassen.

Der Initiator und Gestalter der neuen Prinz-Heinrich-Galerie ist der älteste Sohn Landgraf Philipps, Landgraf Moritz von Hessen, der mit diesen Räumen das Werk seines Vaters fortführte und für seinen Bruder die erste Dauerausstellung von dessen Oeuvre in Deutschland im Museum Schloss Fasanerie schuf. Prinz Heinrich von Hessen, der seit 1948 den Künstlernamen Enrico d’Assia führte, wird nun die Abteilung des 20. Jahrhunderts im Museum Schloss Fasanerie gewidmet.